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Genussrechte

Genussrechte gehen zurück auf Kapitalbeschaffungen der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert. Genussrechte wurden bei der Übernahme der privaten Eisenbahnen durch den Staat als Abfindung an Aktionäre ausgegeben. Die Aktionäre waren damit weiterhin an den Erträgen beteiligt, ohne Gesellschafter zu sein. Genussrechte wurden in anderen Unternehmen auch als Gegenwert für Lizenzen, Patente und andere Schutzrechte gewährt, deren Wert für die Gesellschaft sich erst zukünftig zeigen sollte.

Seit den 80er Jahren erleben Genussrechte eine Renaissance und sind als Finanzierungsmittel und Instrument der Mitarbeiterbeteiligung populär geworden. Genussrechte bieten insbesondere für kleinere Unternehmen eine gute Möglichkeit, bestimmten Personenkreisen (z.B. Kapitalgebern oder Mitarbeitern) einen „Bonus“ für besondere Leistungen zukommen zu lassen.

Genussrechte sind Gläubigerrechte schuldrechtlicher Art. Genussrechte vermitteln keine Gesellschafterstellung, insbesondere kein Teilnahmerecht an  Gesellschafterversammlungen oder etwa Stimmrechte.

Genussrechte können unverbrieft oder als so genannte Genussscheine verbrieft sein. Genussscheine sind Wertpapiere, die ein Recht auf Beteiligung am Unternehmensgewinn bzw. Unternehmensverlust verkörpern. Sie können auf den Inhaber oder Namen lauten. Die Entscheidung, ob Genussrechte verbrieft werden sollen, ist insbesondere im Hinblick auf die Erstellung von Prospekten wichtig. Genussscheine gelten als Wertpapiere und unterliegen damit dem Wertpapierrecht (EU-ProspVO bzw. WpPG), bei Genussrechten kann das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) zur Anwendung kommen.

Im Unterschied zum Aktionär ist der Genussrechtsinhaber nicht Gesellschafter des Unternehmens, er ist auch nicht an dem Grundkapital beteiligt. Ein Aktionär hat Informations-, Kontroll- und Mitverwaltungsrechte, ein Genussrechtsinhaber nicht.

Genussrechte sind, obwohl in einigen zivilrechtlichen und steuerrechtlichen gesetzlichen Vorschriften vorausgesetzt, im Einzelnen gesetzlich nicht geregelt, was eine freie Gestaltung der Genussrechtsbedingungen ermöglicht. Genussrechte sind als eigenständiges Finanzierungsinstrument einsetzbar, sie können je nach Ausstattung Fremd- oder Eigenkapitalcharakter annehmen. Eigenkapitalcharakter ist dann gegeben, wenn die Genussrechte eine unbegrenzte oder lange Laufzeit haben und der Genussrechtsinhaber außer am Gewinn und Verlust auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt ist. Fremdkapitalcharakter nehmen Genussrechte dann an, wenn das Kapital nach einer bestimmten Laufzeit zurückgezahlt wird, also keine dauerhafte Fremdkapitalüberlassung stattfindet. Die Grenzen sind jedoch fließend.

Genussrechte gewähren in der Regel einen Gewinnanteil an dem Unternehmen. Die Bezugsgröße des Gewinnanteils ist dabei frei gestaltbar. Als Bezugsgröße kommt z.B. der Bilanzgewinn oder der Jahresüberschuss in Betracht, auch die Gesamtkapitalrendite oder die Dividende.

Neben der gewinnabhängigen Verzinsung kann auch eine Mindestverzinsung vorgesehen werden. Diese Verzinsung kann unabhängig vom Unternehmensgewinn vereinbart werden, müsste also auch in Verlustjahren gezahlt werden. Es besteht aber auch die Möglichkeit eine Mindestverzinsung in Gewinnjahre zu verlagern (Nachzahlung der Mindestverzinsung der Verlustjahre in den Jahren, in denen Gewinne erwirtschaftet werden, so genannte Nachbesserungsklausel).

Genussrechte werden unter bestimmten Umständen als Eigenmittelsurrogat anerkannt. Ein Eigenkapitalausweis ist insbesondere möglich, wenn

  1. eine erfolgsabhängige Vergütung für die Kapitalüberlassung gewährt wird,
  2. das Genussrechtskapital an den Verlusten teilnimmt,
  3. die zur Verfügung gestellten Mittel längerfristig zur Verfügung gestellt werden,
  4. der Rückzahlungsanspruch im Insolvenz- oder Liquidationsfall nachrangig ist, also zuvor alle weiteren Gläubiger ausgezahlt werden.

Der Vorteil der Genussrechte liegt darin, dass sich ein Unternehmen den Finanzierungsquellen für langfristige Mittel erschließen, ohne die Beteiligungsstruktur zu verändern. Hinzu kommt, dass es über die Ausstattung der Genussrechte möglich wird, diese steuerlich wie Fremdkapital zu behandeln, handelsrechtlich aber als Eigenkapital.

Aktien von Unternehmen, die nicht an einer Börse notiert sind, können in der Praxis nur schwer veräußert werden. Hier bieten Genussrechte Vorteile: Einem Genussrechtsinhaber wird nach Ablauf der Laufzeit (oder Kündigung) sein Kapital zurückgezahlt, ein Aktionär hat dagegen keinen Anspruch auf Kapitalrückzahlung. Der Genussrechtsinhaber bleibt also nicht auf seinen Genussrechten bzw. Genussscheinen sitzen.

Die wesentlichen Vorteile durch Genussrechte bzw. Genussscheine können wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Es besteht Gestaltungsfreiheit, da die Genussrechte und Genussscheine gesetzlich nicht geregelt sind;
  2. Genussrechte bzw. Genussscheine sind für alle Unternehmensformen geeignet, also auch für Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Kommanditgesellschaften (KG) oder einer offenen Handelsgesellschaften (oHG);
  3. Die Laufzeiten der Genussrechte sind variabel. Es kann eine kurzfristige (z.B. 2 Jahre dauernde) Kapitalüberlassung vereinbart werden, aber auch eine langfristige oder dauernde Kapitalüberlassung ist möglich;
  4. Genussrechte und Genussscheine gewähren keine gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte, also insbesondere keine Teilnahme- und Stimmrechte an einer Gesellschafterversammlung;
  5. Bei der Konzeption der Gewinn-/Verlustbeteiligung besteht Gestaltungsfreiheit, die Verteilung des Gewinns bzw. Verlustes zwischen der Gesellschaft und den Genussrechtsinhabern ist frei vereinbar;
  6. Das gesamte Genussrechtskapital ist, unter bestimmten Voraussetzungen, handelsrechtlich als Eigenkapital darstellbar;
  7. Ausschüttungen an Gesellschafter sind bei bestimmten Gestaltungsformen steuerlich als Betriebsausgaben abzugsfähig;
  8. Genussrechtskapital kann in einem unbegrenzten Volumen aufgenommen werden.
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